Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, Anhörung des Kindes

5A_724/2015

Bundesgerichtsentscheid vom 2. Juni 2016

Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 314a ZGB, Art. 298 Abs. 1 ZPO, Art. 12 UN-KRK: 5A_724/2015

Der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltene Anspruch auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung soll eine demokratische Kontrolle der Justiz gewährleisten. Der Anspruch gilt jedoch nicht absolut. Stehen sich – wie bei einem Obhutsentzug und einer Fremdplatzierung – der Staat und Private gegenüber, bedarf der Ausschluss der Öffentlichkeit jedoch einer besonderen Begründung. Geht es um den Gesundheitszustand von Kindern, ist der Ausschluss ausnahmsweise zulässig. In diesen Fällen entfällt eine Kontrollmöglichkeit und damit auch die Notwendigkeit einer mündlichen Verhandlung. Eine vom Einfluss auf das Ergebnis unabhängige, abstrakte Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung (damit plädiert werden kann) ergibt sich auch nicht aus dem in Art. 6 Ziff. 1 EMRK enthaltenen Äusserungsrecht und ebenso wenig aus dem Anspruch auf ein «faires Verfahren». Eine mehrmalige Anhörung der Kinder kann jedenfalls dann unterbleiben, wenn sie einzig um der Anhörung willen stattfinden und für die Kinder eine unnötige Belastung bedeuten würde. Die Pflicht ein Kind anzuhören, besteht in der Regel nur einmal im gesamten Verfahren.